
Eine Entscheidungshilfe für Führungskräfte
Die KI-Revolution ist in vollem Gange. Während einige Abteilungen bereits mit KI-basierten Tools arbeiten, fragen sich andere, ob sie überhaupt betroffen sein werden. Genau hier liegt eine zentrale Führungsaufgabe: zu erkennen, wo sich Arbeitsprozesse durch KI verändern werden – und wie stark.
Nicht jede Tätigkeit wird automatisiert. Nicht jede Abteilung erlebt eine Transformation. Manche Aufgaben bleiben bestehen, andere wandeln sich, wieder andere verschwinden. Deshalb ist es Aufgabe der Führungskraft, die Auswirkungen von KI für den eigenen Verantwortungsbereich zu analysieren – differenziert, konkret und mit Blick auf die Menschen. Die folgenden fünf Szenarien helfen dabei, diese Veränderungen greifbar zu machen. Sie zeigen typische Verläufe, wie sich Arbeit durch KI entwickeln kann – und welche Tätigkeiten davon betroffen sind.
Szenario 1 – Alles bleibt beim Alten
In manchen Arbeitsfeldern bleibt der Einfluss von KI gering. Das betrifft vor allem Tätigkeiten, die nur sehr wenig Bildschirmarbeit beinhalten – weniger als 20 % der Arbeitszeit etwa. Hier ist der Einsatz digitaler Systeme oft ohnehin minimal, und KI bringt kurzfristig keinen spürbaren Mehrwert. Drei Beispiele für Bereiche in denen mit wenig Veränderung zu rechnen ist:
- Haustechnik oder Facility-Management in einem Spital
- MitarbeiterInnen der Wildbach- und Lawinenverbauung
- Lagerlogistik in einem kleinen regionalen Betrieb
Hier wird sich die Arbeit in den nächsten Jahren kaum verändern – vielleicht mit Ausnahme einzelner Tools zur Wartungsplanung oder Dokumentation.
Szenario 2 – Zeit einsparen und Qualität verbessern
In klassischen Büroberufen, wo täglich Texte geschrieben, Berichte verfasst oder Daten bearbeitet werden, kann KI schnell und unkompliziert unterstützen. Sie erledigt die Routinetätigkeit – der Mensch entscheidet, strukturiert und finalisiert. Die Qualität steigt, weil Vorlagen besser, schneller und konsistenter sind. Bei den folgenden Tätigkeiten können Sie mit diesem Szenario rechnen:
- Sachbearbeiterin in einer Landesverwaltung, die regelmäßig Erläuterungen zu Förderanträgen verfasst
- Personalabteilung, die Stelleninserate und Bewerberkommunikation standardisiert
- Kommunikationsabteilung, die Texte für Website oder Intranet produziert
Bei diesen Tätigkeiten kann mit wenig Schulung viel Wirkung erzielt werden – durch Effizienzgewinn und bessere Textqualität. Doch auch wenn seitens der Organisation keine Schritte gesetzt werden, können MitarbeiterInnen die KI-Anwendungen einsetzen.
Szenario 3 – Aufgaben bleiben, aber andere Rollen ändern sich
In vielen Fällen erledigen Mitarbeitende weiterhin dieselbe Aufgabe – aber auf andere Weise. Statt Schriftsätze selbst zu verfassen, werden KI-generierte Vorschläge geprüft. Statt Daten manuell zu analysieren, wird das Ergebnis interpretiert. Die Rolle wandelt sich: vom Macher zum Supervisor, vom Autor zum Lektor:
- JuristInnen in einer Rechtsabteilung, die Schriftsätze auf Basis von KI-Entwürfen überarbeiten
- ControllerInnen, die von KI erstellte Analysen prüfen und kommentieren
- ProjektleiterInnen, die Reports automatisiert erstellen lassen und sich stärker auf die Interpretation konzentrieren
Es kann als kränkend erlebt werden, nicht mehr der Urheber der eigenen Werke zu sein. Gerade die bisherigen Spezialisten mit Sonderstatus werden merken, dass sie nun leichter ersetzbar sind. In diesem Szenario ist es besonders wichtig den Mitarbeitenden Platz für ihren Ärger und ihre Enttäuschung zu geben.
Szenario 4 – Alles neu, alles anders
Manche Abteilungen entwickeln sich weiter – nicht durch Automatisierung, sondern durch neue Möglichkeiten. KI macht Dinge erreichbar, die bisher undenkbar waren: individuelle Analysen, Simulationen, Echtzeit-Feedback. In diesen Fällen entstehen neue Tätigkeiten, neue Arbeitsfelder und neue Chancen:
- Innovationsbeauftragte, die KI nutzen, um interne Prozesse oder Kundenerlebnisse neu zu denken
- Bildungsorganisationen, die personalisierte Lernpfade mithilfe von KI gestalten
- Stadtplanung, die durch KI-gestützte Bürgerbeteiligung neue Ideen generiert
Führung bedeutet hier: Experimentierräume schaffen und Innovation gezielt fördern. In anderen Teilen der Organisation kann Neid und Eifersucht entstehen. Daher braucht es klare Kommunikation und ständigen Kontakt.
Szenario 5 – Ab jetzt macht die KI den Job
Manche Tätigkeiten – vor allem standardisierte, repetitive Aufgaben – werden von KI vollständig übernommen. Das ist die radikalste Veränderung. Für betroffene Mitarbeitende ist das bedrohlich, weil sich ihre Rolle grundlegend verändert oder sogar entfällt:
- Textklassifizierung und Beantwortung standardisierter Anfragen im Kundenservice
- Prüfung von Rechnungen oder Formularen in der Buchhaltung
- Erstdiagnosen bei Versicherungsfällen, automatisiert auf Basis von Bildmaterial und Textbeschreibung
Hier braucht es Umschulung, Perspektivwechsel – und menschliche Begleitung. Die Frage lautet nicht: „Was fällt weg?“, sondern: „Wohin entwickeln sich die Personen?“
Ein differenzierter Blick ist Führungspflicht
Nicht überall ist KI eine Revolution. Aber überall ist sie ein Thema. Führung bedeutet, die Auswirkungen für den eigenen Bereich klar zu analysieren: Wo bleibt alles wie es ist? Wo wird ergänzt? Wo wird verändert – und wo ersetzt? Dieser differenzierte Blick schafft Sicherheit im Team, ermöglicht gezielte Entwicklung – und verhindert blinden Aktionismus.
Denn: Wer alle über einen Kamm schert, wird niemandem gerecht. Wer genau hinschaut, kann gezielt fördern, begleiten – und Zukunft gestalten.