
Wie Führungskräfte den Einsatz von Künstlicher Intelligenz souverän gestalten – Schritt für Schritt
Frau Leitner, Bereichsleiterin der Rechtsabteilung einer großen Versicherung, sitzt im Montagsmeeting. Ihre Stimme ist klar, ihre Ansage deutlich: „Ab sofort arbeiten wir mit KI. Ich möchte, dass Sie ChatGPT oder ähnliche Tools für die juristische Recherche verwenden.“ Ein Raunen geht durch die Runde. Herr Bauer, ein erfahrener Jurist Mitte 40, blickt skeptisch. „Könnten Sie vielleicht ein Beispiel nennen, wie genau wir das Tool nutzen sollen? Oder gibt es eine Vorgabe für Datenschutz bei der Nutzung?“ fragt er skeptisch.
Frau Leitner räuspert sich. „Also… ich habe selbst noch nicht viel ausprobiert, aber das kriegen wir schon hin. Die Tools sind intuitiv. Probieren Sie einfach mal ein bisschen.“ Nach dem Meeting stehen drei Kolleginnen mit Kaffee an der Teeküche. „Ich weiß nicht mal, ob wir personenbezogene Daten überhaupt eingeben dürfen“, murmelt Elena. „Und ehrlich gesagt: Wenn unsere Chefin sich nicht einmal damit beschäftigt hat – wie sollen wir das dann sinnvoll einsetzen?“ ergänzt Lukas, der seit einem halben Jahr im Team ist.
Das Ergebnis ist ein klassischer Fall von gut gemeint, aber schlecht geführt: Unsicherheit macht sich im Team breit, einige ziehen sich zurück, andere versuchen sich autodidaktisch durchzuschlagen – und wertvolle Zeit geht verloren. Der entscheidende Fehler: Die Führungskraft will ein System einführen, dessen Auswirkungen sie selbst nicht versteht. Die folgende Übersicht zeigt sieben essenzielle Schritte, um als Führungskraft die kommenden Veränderungen kompetent begleiten zu können.
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Eigene KI-Kompetenz aufbauen
Führungskräfte sind Vorbilder. Wer erwartet, dass Mitarbeitende sich mit neuen Technologien auseinandersetzen, muss selbst bereit sein, erste Schritte zu machen; nicht nur theoretisch, sondern in der praktischen Anwendung. Der erste Schritt besteht darin, sich selbst mit den Möglichkeiten und Grenzen von KI auseinanderzusetzen. Wie funktionieren generative Sprachmodelle? Was können Bild- oder Datenanalyse-Tools leisten? Wo liegen Chancen und Risiken?
Dabei geht es nicht um Perfektion, sondern um Erfahrung: Wer selbst ein paar Wochen mit KI-Tools gearbeitet hat, kann realistischer einschätzen, wo sie unterstützen – und wo menschliche Expertise unerlässlich bleibt. Diese Selbsterfahrung schafft Authentizität und fördert die Glaubwürdigkeit im Veränderungsprozess.
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Lernpfad entwickeln
Kompetenz entsteht nicht zufällig. Sie braucht Struktur. Ein individueller Lernpfad hilft Führungskräften dabei, gezielt Wissen aufzubauen – abgestimmt auf den eigenen Arbeitskontext.
Dabei empfiehlt sich eine Mischung aus Theorie und Praxis: Fachliteratur, Online-Kurse, Austausch mit ExpertInnen – und vor allem: das eigene Ausprobieren. Wer sich beispielsweise vornimmt, eine Woche lang täglich ein KI-Tool in der eigenen Arbeit zu testen, lernt schneller als durch passive Informationsaufnahme.
Der Lernpfad sollte auch Reflexionsräume enthalten: Was funktioniert gut? Was irritiert? Welche Anwendungen erscheinen vielversprechend für das eigene Team? Durch diese bewusste Struktur wird Lernen zum strategischen Führungsinstrument – nicht zum Zeitfresser.
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Rechtlichen Rahmen kennen
Die Nutzung von KI ist kein rechtsfreier Raum. Führungskräfte müssen wissen, welche rechtlichen Anforderungen gelten – vor allem, wenn sensible Daten oder Entscheidungen betroffen sind. Dazu gehören Themen wie die KI-Verordnung, Datenschutz (DSGVO), Haftung, Urheberrechte und Transparenzpflichten.
Gerade in regulierten Branchen – wie Recht, Gesundheit oder Finanzen – ist es essenziell, dass Führungskräfte klare Spielregeln kennen und kommunizieren. Das schafft Sicherheit im Team und schützt das Unternehmen vor Risiken.
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Arbeitsrollen analysieren
KI verändert nicht nur Prozesse, sondern auch Rollen. Führungskräfte sollten analysieren, wie sich Verantwortlichkeiten im Team verschieben, wenn KI-Tools eingesetzt werden. Welche Aufgaben lassen sich automatisieren? Wo entstehen neue Schnittstellen? Wer braucht welche Fähigkeiten, um sinnvoll mit KI zu arbeiten?
Eine fundierte Rollenanalyse zeigt auf, wo Kompetenzlücken entstehen können – aber auch, wo bisher ungenutzte Potenziale schlummern. Indem Führungskräfte ihre Teams aktiv in diesen Wandel einbeziehen, schaffen sie Transparenz und Mitgestaltung – statt Unsicherheit und Widerstand.
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Lernpfade für Mitarbeiter entwickeln
Sobald erste eigene Erfahrungen gesammelt wurden, können Führungskräfte gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen gezielt Lernpfade für ihr Team gestalten. Dabei geht es nicht um Gießkannenprinzipien, sondern um bedarfsgerechte Entwicklung. Ein Junior-Jurist braucht andere KI-Kompetenzen als eine Sachbearbeiterin im Vertragswesen. Die Kunst liegt darin, Lernangebote anzubieten, die praxisnah, zugänglich und motivierend sind.
Hier helfen kleine Formate: Kurz-Trainings, Peer-Learning-Gruppen oder „Lunch & Learn“-Sessions. Entscheidend ist, dass Lernen als Teil der Arbeit verstanden wird – nicht als Zusatzbelastung. Führungskräfte geben hier den Takt vor – durch eigenes Vorleben und konsequente Begleitung.
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Arbeitseinteilung anpassen
Mit neuen Werkzeugen wird sich die Arbeitsbelastung in Zukunft mehrmals im Jahr verändern. Wer was tut, muss regelmäßig neu gedacht werden. Führung bedeutet, diese Anpassungen aktiv zu gestalten: Welche Aufgaben übernimmt künftig das KI-System? Welche Entscheidungen bleiben beim Menschen? Wie wird sichergestellt, dass Zusammenarbeit weiterhin funktioniert?
Hier geht es nicht nur um Effizienz, sondern auch um Fairness: Mitarbeitende müssen verstehen, warum sich ihre Aufgaben ändern – und welche Chancen sich daraus ergeben. Wer Aufgaben strategisch umverteilt, fördert nicht nur Produktivität, sondern auch Motivation.
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Veränderungsprozess begleiten
KI-Einführung ist kein Technikprojekt, sondern ein Kulturwandel. Führungskräfte sind zentrale BegleiterInnen dieses Prozesses. Das bedeutet: zuhören, vermitteln, Orientierung geben. Es bedeutet auch: Unsicherheiten anerkennen, Rückfragen ernst nehmen – und gemeinsam mit dem Team neue Lösungen entwickeln.
Veränderungsbegleitung heißt: nicht nur kommunizieren, sondern auch emotional führen. Vertrauen schaffen, psychologische Sicherheit fördern und gemeinsam aus Fehlern lernen. Wer das ernst nimmt, macht aus einem potenziellen Angstthema ein echtes Innovationsfeld.
Geringer Aufwand – hoher Nutzen
Der Aufbau von KI-Führungskompetenz ist keine „ärgerliche Pflicht“ – sondern eine Investition in die eigene Zukunftsfähigkeit. Ja, er kostet Zeit. Ja, er erfordert Neugier, Geduld und manchmal Frustrationstoleranz. Aber: Er zahlt sich schnell aus. Wer sich heute intensiv mit KI beschäftigt, erlebt morgen eine neue Leichtigkeit in der Arbeit – durch effizientere Prozesse, bessere Entscheidungen und motivierte Teams.
Führung heißt, vorauszugehen. In der Welt der Künstlichen Intelligenz vielleicht mehr denn je.