Sie haben ein attraktives Angebot für eine neue Führungsposition bekommen? Sie überlegen, eine zusätzliche Ausbildung zu machen? Viele Menschen wissen nicht, wie sie solche Entscheidungen ohne schlaflose Nächte treffen können. Je mehr Menschen sie um Rat fragen, desto mehr widersprechende Meinungen bekommen sie. Mit den folgenden Punkten kann man jedoch gelassen bleiben.
Viele Führungskräfte möchten immer für ihre MitarbeiterInnen da sein. Sie beantworten jederzeit Fragen, helfen bei der Problemlösung und machen das Unmögliche möglich, weil Sie sich davon größere Motivation und Identifikation der MitarbeiterInnen versprechen. Sie sind typische „Meine Tür ist immer offen“-Führungskräfte. Jedoch werden sie in ihrer eigenen Arbeit ständig unterbrochen und finden wenig Zeit, um konzentriert zu arbeiten. Um ihre Arbeit in Ruhe erledigen zu können, kommen sie früher zur Arbeit und gehen später nach Hause. Sie überlasten sich selber stark und sind ständig in Gefahr auszubrennen.
Ich bin nicht so wie die da oben
Manche Führungskräfte sind sehr stolz und wiederholen diesen einen Satz immer wieder: „Meine Türe ist immer offen.“ Sehr oft liegt der Grund für diese Haltung in eigenen Erfahrungen mit abweisenden, distanzierten Chefs. Sie fühlten sich ohne ausreichende Information mit schwierigen Problemen alleine gelassen. Aus dieser Erfahrung formt sich dann der Wunsch: „Sobald ich einmal Führungskraft bin, werde ich das alles ganz anders machen und immer für meine Mitarbeiter da sein.“
Gefährlich und unprofessionell
Sie formten daher ihr Bild von der Rolle einer Führungskraft aus den eigenen früheren Bedürfnissen. Das ist so, als ob ein Hauseigentümer sein Rollenverständnis nur aus der Sicht des Mieters formt und nie die Miete erhöht, weil das aus Mietersicht besser ist. Es gib aber noch viele andere Interessen, um die sich der Eigentümer kümmern sollte: die Interessen der Nachbarn, der Handwerker, der eigenen Familie, der Stadt oder Gemeinschaft und nicht zuletzt die eigenen Interessen. Manchmal wird der Eigentümer daher Entscheidungen treffen, die den Interessen der MieterInnen widersprechen.
Die Rolle aus der Sicht der MitarbeiterInnen zu definieren, ist also nicht nur unprofessionell, sondern auch gefährlich. Denn die Rolle von Führungskräften ist vielschichtiger, als das aus Sicht der MitarbeiterInnen erkennbar ist: die Aufträge der obersten Führung umsetzen, die Interessen der Stakeholder beachten, Veränderungen in der Umwelt wahrnehmen, mit externen PartnerInnen abstimmen, Kundenkontakt halten etc. Für die Führungskraft ist es gefährlich, die eigene Zeiteinteilung von den Bedürfnissen der MitarbeiterInnen abhängig zu machen, weil Sie dann möglicherweise andere Aufgaben vernachlässigt. Es ist auch unprofessionell, weil die MitarbeiterInnen dazu eingeladen werden, ihre Aufgaben – nämlich Problemlösung – an die Führungskraft zurück zu delegieren.
Identifikation kann man nicht so leicht ablegen wie einen Mantel
Gerade wenn Menschen das erste Mal in eine Führungsrolle kommen, fällt es ihnen schwer, sich von ihrer Identifikation mit ihrer Rolle als MitarbeiterIn zu lösen. Sie halten an ihrem Wunschbild von Führung fest, das sie sich in den Jahren als MitarbeiterIn gemacht haben. Sie möchten keinesfalls so sein wie die anderen Führungskräfte und fürchten nichts mehr als den Satz: „Du glaubst wohl, dass du was Besseres bist.“ Diese Identifikation verhindert aber, mit kühlem Blick herauszufinden, was die Rolle verlangt und was mit den vorhandenen zeitlichen Ressourcen möglich ist.
Helfen macht hilflos
Der Satz „Meine Tür ist immer offen!“ hat auch noch andere gravierende Nachteile. Als Führungskraft biete ich damit jederzeitige Hilfe an. Etwas überzeichnet gesagt macht die Führungskraft folgendes Beziehungsangebot: „Ihr seid nicht gut genug, um die Arbeit zu bewältigen. Ich bin gut genug und kann alles lösen. Meine Arbeit ist nicht so wichtig. Ihr könnt mich daher immer unterbrechen, wenn ihr ansteht und eure Arbeit an mich zurück delegieren.“ Manche MitarbeiterInnen werden sich daran gewöhnen, die Führungskraft zu fragen, anstatt selber nach Lösungen zu suchen oder ein Risiko einzugehen.
Angemessene Zusammenarbeit
Ich bin überzeugt, Sie können Ihren MitarbeiterInnen ein Beziehungsangebot machen, das besser passt und Ihnen Zeit für konzentrierte Arbeit während der Bürozeiten lässt. Diese Fragen können Ihnen bei der Erarbeitung eines passendes Beziehungsangebots helfen:
- Was erwarte ich von meinen MitarbeiterInnen?
- Welche Probleme sollen sie selber lösen?
- Mit welchen Problemen sollen sie zu Ihren KollegInnen gehen?
- Was muss in welcher Zeit gelöst werden?
- Worüber möchte ich sofort informiert werden?
Sobald Sie diese Fragen geklärt haben, können Sie Zeiten festlegen, in denen Sie nur in Notfällen gestört werden. Sie können für alle anderen Anliegen Termine vergeben. Und Sie können auch Zeiten definieren, in denen die Tür für Fragen und Anliegen offen ist.