
Wie man als laterale Führungskraft überzeugt
Verantwortung ja – Macht nein.
Immer mehr Menschen führen Teams, leiten Projekte oder koordinieren Abläufe ohne disziplinarische Befugnis. Sie tragen Ziele, Deadlines und Erwartungen, aber sie haben keinen „Machtknopf“, um Entscheidungen durchzusetzen oder Verhalten direkt zu beeinflussen. Willkommen in der Realität lateraler Führung.
Ob in Projekten, Netzwerken oder interdisziplinären Teams: Führen ohne formale Macht ist zur Norm geworden – aber in der Ausbildung, im Führungsverständnis und in der Praxis wird sie immer noch wie ein Sonderfall behandelt. Das Ergebnis? Frust, Widerstand, Unsicherheit – bei denen, die führen sollen, und bei denen, die geführt werden.
Dabei gilt: Laterale Führung funktioniert, wenn man weiß, wie. Sie braucht keine Titel, sondern Haltung. Keine Autorität, sondern Klarheit. Keine Kontrolle, sondern Verbindung. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie ohne Machtmittel wirksam führen und dabei Vertrauen, Respekt und Wirkung gewinnen.
Herausforderungen lateraler Führung: Verantwortung ohne Weisungsbefugnis
Wer laterale Führung übernimmt, begegnet einer Reihe typischer Spannungen:
- Es gibt keine formale Autorität, auf die man sich stützen könnte. Anerkennung muss man sich durch Klarheit, Kompetenz und Haltung verdienen.
- Akzeptanz im Team ist nicht selbstverständlich. Wer führt, muss gleichzeitig auf Augenhöhe bleiben. Das erzeugt Ambivalenz.
- Unterschiedliche Interessen prallen aufeinander, ohne dass jemand „durchregieren“ kann. Laterale Führung bewegt sich ständig im Spannungsfeld zwischen Kooperation, Einfluss und Machtverzicht.
- Die eigene Rolle bleibt oft unscharf. Bin ich Koordinator:in, Moderator:in, Antreiber:in oder alles zugleich?
Gerade weil die Machtmittel fehlen, braucht es eine besonders bewusste Führungshaltung. Nicht lauter, sondern klarer. Nicht kontrollierender, sondern verbindender.
Vertrauen – Woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Nina, erfahrene Projektmanagerin in einem mittelgroßen Unternehmen, übernimmt die Leitung eines interdisziplinären Innovationsprojekts. Ihr Team besteht aus Expert:innen aus drei verschiedenen Abteilungen, die alle formal auf einer Ebene mit ihr sind. Die ersten Wochen verlaufen zäh. Entscheidungen verzögern sich, Meetings verlaufen im Kreis, niemand fühlt sich zuständig.
Statt Druck auszuüben – was sie ohnehin nicht könnte – beginnt Nina, ihre Rolle neu zu definieren. Sie spricht gezielt mit einzelnen Teammitgliedern, stellt Fragen, klärt Erwartungen, schafft Transparenz über Ziele und Zeitpläne. Sie benennt Spannungen frühzeitig und moderiert Konflikte auf Augenhöhe. Schritt für Schritt wächst das Vertrauen und das Team kommt in Bewegung.
Was den Unterschied gemacht hat? Nina hat nicht versucht, „Chef zu spielen“. Sie hat Führung übernommen, ohne sich auf formale Macht zu stützen. Und gerade das wurde zur Stärke.
Hier sind einige konkrete Wege, wie laterale Führungskräfte Einfluss nehmen können:
- Mit Klarheit statt Kontrolle
Klarheit schafft Sicherheit – gerade dort, wo Hierarchie fehlt. Laterale Führungskräfte sollten frühzeitig Ziele, Zuständigkeiten und Prozesse klären. Wer macht was bis wann? Wofür tragen wir gemeinsam Verantwortung? Was ist nicht verhandelbar?
Praxisbeispiel: In einem Kick-off-Meeting für ein bereichsübergreifendes Projekt legt die Projektleiterin offen, was das Ziel ist, was erwartet wird und wo Gestaltungsspielräume bestehen. Sie formuliert nicht von oben herab, sondern im Dialog. Diese Klarheit macht das Projektteam ohne autoritäres Auftreten arbeitsfähig.
- Mit Verbindung statt Anweisung
Laterale Führung basiert auf Beziehungen. Wer führen will, muss präsent, interessiert und im echten Kontakt mit dem Team sein. Zuhören, nachfragen, Rückmeldungen einholen – all das wirkt vertrauensstiftend und öffnet Türen.
Praxisbeispiel: Ein Kollege blockiert Entscheidungen im Projektteam. Statt sich zu ärgern, sucht die Projektleiterin das direkte Gespräch: „Ich merke, da gibt es bei dir noch Vorbehalte – magst du mir sagen, was dich bremst?“ In diesem Moment entsteht Dialog und damit auch Bewegung in eine verfahrene Situation.
- Mit Haltung statt Hierarchie
Menschen folgen nicht nur Inhalten – sie folgen Haltungen. Wer konsequent, integer und transparent führt, wird gehört, auch ohne Macht.
Praxisbeispiel: In einem Meeting eskaliert ein Streit zwischen zwei Fachbereichen. Die laterale Führungskraft bleibt ruhig, benennt die Situation („Ich spüre, dass hier gerade sehr unterschiedliche Interessen im Raum sind“) und moderiert eine gemeinsame Lösung – ohne Partei zu ergreifen, aber mit klarer Präsenz.
- Mit Struktur statt Druck
Führung heißt auch: den Rahmen setzen. Gute Moderation, klare Zeitpläne, verlässliche Follow-ups schaffen Orientierung und Verbindlichkeit.
Praxisbeispiel: Eine Projektleiterin merkt, dass Aufgaben immer wieder versanden. Sie führt kurze Weekly-Stand-ups ein, in denen jede:r sagt, woran er/sie arbeitet, was blockiert und was gebraucht wird. Die Transparenz erhöht die Eigenverantwortung – ganz ohne Kontrolle.
In aller Kürze
Laterale Führung bedeutet, Einfluss über Wirkung zu erzielen – nicht über Macht. Und genau darin liegt ihre Stärke.
Laterale Führung funktioniert nicht über Status, sondern über Einfluss. Und dieser entsteht dort, wo Menschen spüren: Da steht jemand, der weiß, was er tut – und warum.
Laterale Führung ist kein „Führen light“. Im Gegenteil: Sie fordert mehr Kommunikation, mehr Selbstreflexion und mehr Beziehungsarbeit. Wer hier wirksam sein will, braucht innere Stärke, emotionale Intelligenz und eine klare Idee davon, was gute Führung heute bedeutet.
Doch die gute Nachricht ist: Diese Form der Führung lässt sich lernen, trainieren und mit Leben füllen. Gerade weil sie keine Machtmittel nutzt, wirkt sie oft nachhaltiger. Denn sie überzeugt durch Persönlichkeit und nicht durch Position.





